„4x4“, Februar 2004 „Fittermans Kübel“

 

Teil 1

 

 

 

Seine großen Ohren standen unter den Klappflügeln der Pelzmütze hervor, und die von chronischer Unterernährung eingefallenen Wangen, färbten sich siegerisch in rot – es war richtige Arbeit im Gange, hier im Schnee, am Rande von Irbit, stand eingegraben bis an die Radnaben sein Kind – ein Bleckübel mit einen M-72  Motorradmotor. Nach einem gemeinsamen Kraftakt bewegte sich das unscheinbare Fahrzeug wieder vorwärts im Schneefeld.   

 

   Die Klappflügelpelzmütze auf dem Kopf von Boris Michailovitsch stammte wahrscheinlich noch aus dem Straflager. An dem Tag, an dem der Ingenieur für die Arbeit am BTR-152 (SPW-152) mit einem Orden des Roten Banners ausgezeichnet wurde, wurde er verhaftet… und bekam 25 Jahren Straflager. Aber nach drei Jahren mit Stalins Tot kamen die Begnadigung, und auch der erste große Auftrag nach der Entlassung – ein Geländefahrzeug für das Motorradwerk in Irbit (IMZ). Deren Obrigkeit strebte nach einer Änderung der Ausrichtung des Werkes. Die dortige Ingenieure W. I. Guba, F. A: Reppich, A. M. Fedotow waren auch ehemalige Häftlinge. „Die Ingenieurbelegschaft, war nicht schlecht, sie war sehr gut ausgebildet, aber sehr malträtiert durch die schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen“ erinnerte sich Fitterman.

   Die Irbitler, die keine entsprechenden Erfahrungen hatten, haben schon Ende 1954 beim Automobil Motoren Forschungs-Institut (NAMI) um Hilfe gebeten. Mit der Entwicklung wurde Ju. A. Dolmatowski beauftragt der aber, als reiner Zivilist, war der Aufgabe nicht gewachsen. Er hat eine ganze Reihe von Bedingungen, wie eine niedrige  Silhouette und die Möglichkeit des Verwundetentransportes ignoriert. Noch eine Sache goss Öl ins Feuer: Dolmatowski baute mit den Finanzmitteln der Militärs, und mit Hilfe von Zigeuner-blechern den feinen „Belka“, einen Vorläufer von den heutigen Minivan.

   Fitterman hatte keinerlei Illusionen gegenüber dem Auftrag aus Irbit. Im Dezember 1956 wurde von Moskau ein Holz-Karton Model nach Irbit geschickt. Nach dem es in Metall verwandelt wurde, absolvierte das Fahrzeug unter der Bezeichnung 4x4 die Testfahrten. Unter anderem fuhren Fitterman, mit Auftraggebervertreter Major Perlin und Militärarzt Oberstleutnant Stepanow über das durch Irbit fliesende schmale, schmutzige Flüsschen Niza, in das die städtischen Abwässer geleitet wurden. Die Geschwindigkeit auf Wasser, angetrieben nur durch die rotierenden Räder, betrug 4,5 km/h.

   Am 9. Mai 1958 kommt auf den Tisch des NAMI Direktors Wedenjaew in Moskau ein Bericht vom Hauptentwickler des Instituts Lipgart, mit der Idee zur Entwicklung einer Produktion von Kleinstwagen. Es wird auch ein kleines Allradfahrzeug etwa 2,5-mal kleiner als der GAZ-69 in Erwägung gezogen. Es wird vorgeschlagen 1958 drei – vier Prototypen zu bauen, im nächsten Jahr eine Vorserie von 100 – 200 Stück, und 1960 schon zehn tausend solcher Fahrzeuge zu bauen. Es sind Napoleonische Pläne, aber Chruschtschow versprach eine großzügige Finanzierung der Branche. Als Stadt, in der das Werk platziert werden könne wird Swerdlowsk genannt. Dabei enthält der Bericht eine geheimnisvolle Phrase, dass „bei Bedarf, kann das Werk für Kleinstwagen vollständig auf den Bau von speziellen 4x4 Fahrzeugen umprofiliert werden“.

 

  


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